Anvisiert - besser treffen mit der Zielhilfe!



Wozu braucht man denn so etwas?

Jeder, der schon mal mit längeren Brennweiten unterwegs ist, kennt die Situation: Plötzlich tauchen fliegende Vögel oder ähnlich mobile Ziele auf, und man verliert wertvolle Zeit damit, sie überhaupt ins Bild zu bekommen. Die etwas über 4° Bildwinkel eines 300ers an mFT können ganz schön klein sein…
Wenn es etwas schneller zugeht, zielt man mit dem Tele schnell daneben.

Wer nicht manuell fokussiert, kennt auch ein zweites Problem, nämlich dass die Subjekte auf Sucher bzw. Monitor verschwinden, wenn der AF gerade mal wieder durch den Nahbereich fährt. Ruckzuck ist alles eine graublaue Soße, und schon hat man sie wieder verloren und darf von Neuem zielen.
Während der AF arbeitet, ist der Sucher zeitweise nutzlos

Ja, man wird mit viel Übung besser beim Zielen, und mit zwei offenen Augen geht das mit dem Verfolgen auch so halbwegs, aber ehrlich gesagt finde ich das so frustrierend, das muss ich mir nicht zwingend antun ;-)

Das Produkt, dass das alles ins Rollen brachte, war die Erwähnung eines „Tactical Four Reticle Sight“ in einem amerikanischen Forum. Wenn man dann nach „Wildlife Photography with Tactical Four Reticle Sight“ googelte, kam man auf eine Webseite, unter der das mit einem Blitzschuhadapter und vielen blumigen Worten (3 mal „Laser“, WOW!) für 39$ mit weltweitem freiem Versand angeboten wurde. Der Versand dauerte zwar, aber das Teil kam.

Moment mal, Laser? Um Himmelswillen, meine Augen!

Wer Laser hört, denkt dabei zu Recht an die Sicherheit anderer und seiner Augen, Kameras etc. Es scheint aber ein tolles Verkaufsargument zu sein, denn bei diesen Leuchtpunktvisieren wird oft von Laser gesprochen - obwohl es sich lediglich um Leuchtdioden hinter einer Maske handelt. Mit einem Stückchen Transparent-Papier lässt sich leicht zeigen, dass es sich nicht um einen Laser handelt, außerdem kann man die Maske auch aus jeder Position von vorne sehen, wenn man sauber hinschaut.

Ganz sicher kein Laser!
Solche Leuchtpunktvisiere, auch als Reflexvisiere bekannt, sind keine ganz neue Erfindung – sie sind mittlerweile rund hundert Jahre alt –, sie sind mittlerweile aber auch für Amateure erschwinglich und lassen sich an Kameras anpassen.

Man projiziert auch keinen Punkt auf sein Ziel, schon der Besitz solcher Zielpunktprojektoren ist Privatpersonen im Übrigen in Deutschland nach dem Waffengesetz generell strengstens verboten (auch ohne Waffe, also nicht auf dumme Gedanken kommen!).

Wie funktioniert das?

Der ganze Trick ist, dass die beleuchtete Maske des Leuchtpunktes über einem gewölbten halbdurchlässigen Spiegel immer halbwegs scharf vom Auge gesehen wird, egal in welche Entfernung das Auge eigentlich fokussiert. Das Ganze ist eigentlich „nur“ ein kleines Head-Up-Display, dessen Leuchtpunktposition weitgehend unabhängig davon ist, aus welcher Richtung oder Entfernung man draufschaut.

Solange der Zielpunkt im Rahmen ist, zeigt er auch auf das Ziel

Je näher man dran ist, desto größer ist der abgedeckte Bereich, die Größe des Leuchtkreises aber ändert sich nicht:
Leuchtkreisvergleich, li aus 10cm, rechts aus ca. 1m Abstand (beides Ausschnitte)

Man muss also nur ziemlich ungefähr in die richtige Richtung halten, und bekommt – entsprechende Justierung vorausgesetzt – sofort die Lage des AF-Punktes angezeigt, während man das Ziel mit beiden Augen verfolgen kann, und auch durch den AF nicht behindert wird!

Die LED wird durch eine Knopfzelle betrieben, und lässt sich in 3 (kaum) verschiedenen Intensitäten und zwei Farben (grün und rot) betreiben. Für den Leuchtkreis gibt es vier verschiedene Masken.

Klingt gut, wie bekomme ich das auf die Kamera?

Wie gesagt, das Teil kam mit einem Blitzschuhadapter, der in einen ISO-Blitzschuh eingeschoben wird und darauf eine standardisierte Schiene für Zieleinrichtungen trägt (eine sogenannte Weaver bzw. Picantinny-Schiene).
Dummerweise war diese Schiene an einer einzelnen kleinen Schraube am Kunststoff-Blitzschuhanschluss befestigt und lediglich mit einer kleinen Unterlegscheibe gegen Verdrehen gesichert. Beim kleinsten Stoß von der Seite saß das dann natürlich schief. Außerdem war es viel länger als benötigt und ragte komplett nach vorne, was das Problem natürlich verschärfte.

Wie man eine Schiene ganz sicher nicht befestigt… dieses Teil kann man sich sparen!

Dann drucke ich es mir es halt…

Nun gut, nach etwas Überlegen habe ich mir einen entsprechenden Adapter selbst am Computer konstruiert und drucken lassen. Das Teil ist aus Nylon, sitzt anfangs ziemlich fest im Blitzanschluss, wird aber in der Benutzung zunehmend gängig. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei häufigem Gebrauch leichter läuft, man könnte es dann noch mit einem O-Ring sichern. Zur Zeit habe ich da aber keine Sorge.
Der selbstgedruckte Adapter
Durch die zentrierte Position kommt das Visier etwas nach hinten, und wird auch weniger anfällig gegen seitliche Stöße. Durch den Sucher kann man nicht mehr optimal durchschauen, aber man arbeitet bestenfalls mit Visier und Monitor, der Wechsel von Visier auf den Sucher dürfte ohnehin schwierig sein.

Den Schienenteil habe ich nicht strikt nach dem Standard angelegt, sondern speziell für die abgebildete Zieleinrichtung, die in vielen vermutlich weitgehend baugleichen Varianten auch hier am Markt ist. Nylon neigt etwas zum Verziehen, da wollte ich nicht mehr Material entfernen als nötig. Wahrscheinlich nehme ich noch einen Millimeter herunter, um den Parallaxenfehler zu reduzieren, und werde die überarbeitete Version dann auch anderen zur Produktion freigeben. Der reine Druck kostet etwa 11€, der Versand leider 8,50€.

Wie stelle ich es ein?

Zur genauen Abstimmung kann man das Visier vertikal und horizontal mit Hilfe eines kleinen Sechskantschlüssels einstellen (die Sechskantschlüssel wurden mitgeliefert). Achtung: Die Verstellung ist über eine nicht gleich sichtbare Sicherung normalerweise blockiert, die muss man zunächst lösen!

Wenn dieser versteckte Imbus nicht gelöst ist, lässt sich das Visier nicht justieren!
Anschließend wählt man eine Maske und schaltet die Beleuchtung durch Drehen des Batteriefachs ein. Nun stellt man das gewünschte Fokusfeld auf ein Ziel in der Ferne, oder im Nahbereich auf ein Ziel in der typischen Arbeitsentfernung ein, und justiert das Visier mit den Innensechskantschrauben auf der linken bzw. oberen Seite. Diese Schrauben klicken während der Verstellung, und die Verstellwege sind für unsere Zwecke eher fein. Ein gewisser Parallaxenfehler ist wie bei jedem externen Sucher natürlich nicht zu vermeiden, aber im Telebereich spielt er praktisch kaum eine Rolle.

Wie weit das im Makrobereich funktioniert, bleibt noch zu probieren, evt. wird hier eine Variante der Montageschiene mit „Vorneigung“ erforderlich. Der Winter ist ja noch lang, und es gibt noch viel zu tun ;-)

Technische Nachbemerkung: Alle Photos der Ausrüstung wurden mit dem 45/1.8 erstellt, alle Leuchtpunkte wurden direkt fotografiert (keine Montagen).